Vom Geist der verrosteten Rasierklingen – Katja Klengels „Girlsplaining“

Bereits seit einem Jahr veröffentlicht die Comiczeichnerin Katja Klengel ihre Kolumne „Girlsplaining“ im Online-Magazin Broadly. Jetzt sind ihre Comics bei Reprodukt als Buch erschienen.

Wer sagt eigentlich, dass sich Frauen* rasieren müssen? Ihre Menstruation verstecken sollen und später die Erfüllung ihrer Träume im Mutterwerden finden? In „Girlsplaining“ hinterfragt Comiczeichnerin Katja Klengel die gesellschaftlichen Erwartungen an das „Frausein“, indem sie in sieben Episoden ihre ganz persönlichen Erinnerungen an das Erwachsenwerden schildert – und wie dieser Prozess von Alltagssexismen und Tabus geprägt war.

Wie über weibliche Sexualität sprechen, wenn bereits die Vulva zum Unaussprechlichen wird? Bild: Katja Klengel | Reprodukt Verlag

Die Prämisse erinnert an Liv Strömquists Comic „Der Ursprung der Welt“ (hier geht’s zur Besprechung). Auch Klengels Ziel ist es, Themen, welche die weibliche Sexualität betreffen, zu enttabuisieren. Der Ansatz ist allerdings ein ganz anderer. Stellt Strömquist die kulturgeschichtlichen Aspekte in ihrem Comic in den Vordergrund und tritt als eigene Figur gar nicht erst auf, so ist Klengels Ansatz ein viel persönlicherer. Durch den Comic geführt werden die Leser_innen von ihrem Comic-Alter-Ego, das seine Fragen und Denkansätze aus den eigenen Erfahrungen herleitet. Wie sie zum Beispiel als Teenager nach Binden mit Blumenduft griff, weil ihr Werbung und Medien einredeten, Menstruation sei eklig. Neugierig fragt Klengel stets: Warum ist das eigentlich so? – und plädiert für mehr Akzeptanz dem eigenen Körper gegenüber.

Die Vagina Dentata als das „Dunkle Mal“ über Hogwarts. Bild: Katja Klengel | Reprodukt Verlag

Geprägt ist „Girlsplaining“ von schwarzem Humor. Klengel überspitzt die eigenen Kindheitsvorstellungen beziehungsweise die Erwartungen der Erwachsenen an sie und zeigt die Absurdität dahinter. Sie erzählt unter anderem von ihrer panischen Angst als Teenager, jemand könne sie mit unrasierten Beinen entdecken. Im nächsten Panel sieht man sie nach einem Autounfall – und der eintreffende Polizist sagt trocken: „Wenigstens die Beine hätte sie sich rasieren können.“ Ein weiteres humoristisches Stilelement sind popkulturelle Referenzen. Klengel setzt die „unaussprechlichen“ Wörter Vulva und Voldemort gleich und malt kurz darauf das Dunkle Mal (für alle Nicht-Harry-Potter-Leser_innen: Ein Zeichen am Himmel, mit dem die ‚Bösen’ im Roman kommunizieren) als Vagina Dentata in den Himmel.

Mit „Girlsplaining“ trägt Klengel mit viel Humor und ihren persönlichen Erfahrungen dazu bei, der tabuisierten weiblichen Sexualität eine Plattform zu schaffen. Gerade für Teenager bietet sie einen wichtigen „dein Körper ist okay so wie er ist“-Pep Talk. Der Comic richtet sich aber auch an Leser_innen im Erwachsenenalter – sei es, da man sich in den Erfahrungen wiedererkennt oder weil man selbst noch verschämt Tampons und Binden an der Supermarktkasse unter anderen Einkäufen versteckt. Manche Themen, die Klengel anreißt, kommen allerdings zu kurz. Beispiel hierfür ist eine Szene, in der eine der Comicfiguren das Fehlen weiblicher Literatinnen im Schulkanon anprangert – und danach eine Reihe bekannter weißer Schriftstellerinnen aufzählt, ohne eine Person of Color zu nennen.

Dass Katja Klengels „Girlsplaining“ bei manchen Themen die Tiefe fehlt, liegt sicher auch an der Form der Comics: Als Online-Kolumne ist der Platz der einzelnen Episoden beschränkt. Und außerdem steht klar die persönliche Erfahrungswelt der Autorin im Fokus, keine feministischen Theorien. Aber trotzdem: Wenn es einen Teil 2 von „Girlsplaining“ gibt – dann gerne mit mehr Panels pro Episode.

Katja Klengel: Girlsplaining. Reprodukt, 2018; 160 Seiten; 18 Euro.