#Mansplaining auf Anfrage. Sophie Passmanns „Alte weisse Männer: Ein Schlichtungsversuch“

Sophie Passmann sucht in ihrem uslarisch angehauchten Gesprächsband nach jenem Typus Mann, der gerade in vielen feministischen Texten herumgeistert: dem alten weißen Mann. Alte weiße Männer hat sie gewiss gefunden, Erkenntnisse leider eher weniger.

Der Markt der feministischen Bücher floriert – zum Glück. Auf diesem Markt will sich Sophie Passmann, schließlich eine junge, sozialdemokratische und kluge Frau, auch verorten und wird deswegen gerade scheinbar zur angesagtesten Medienfrau unter 30. Ein Grund dafür scheint ihre bequeme Auffassung des Feminismus zu sein.

Sophie Passmann hat anfangs die Kleinstadtbühnen als Stand-up Comedienne erklommen und wurde einige Jahre später Teil des Neo Magazin Royale Stabs. Passmann ist Radiomoderatorin, hat mittlerweile einen eigenen Podcast, eine eigene ZEIT Magazin- Kolumne und ist eigentlich ü-ber-all! Nun ist sie auch Autorin eines Buches.

Mit dem Gesprächsband „Alte weisse Männer“ hat es sich Sophie Passmann zur Aufgabe gemacht, den alten weißen Mann in Deutschland zu finden und zu schauen, wie der so ist. Das erste Problem ist, neben dem komplett uneinleuchtenden Anliegen dieses Buches (denn wir wissen, der alte weiße Mann existiert und wir wissen auch wie er ist), dass sich Passmann kaum aus ihrer Bubble bewegt. Diese Männer stammen hauptsächlich aus Medien und Politik (oh, ein Koch ist aber auch dabei, wie aufregend) und sind in zwei Sparten einzuteilen.
Sparte 1: grüner oder sozialdemokratischer, junger bis mittelalter Cis-Mann, dem hippen journalistischen oder politischen Milieu entspringend (oder halt ein Ausreißer wie ein Koch). Von dieser Sparte Männer ist man wenig überrascht, was sie so zu sagen haben.
Sparte 2: ein nicht grüner, nicht sozialdemokratischer, nicht mehr ganz junger bis älterer Cis-Mann aus dem (hippen) journalistischen oder politischen Milieu (auch hier gibt es ein paar Ausreißer – oh, ein Rainer Langhans). Auch bei dieser Sparte Männer, die sich Passmann wählt, läuft der Überraschungseffekt der Interviews gen null. Aber dazu gleich mehr.

Hier aber vorab mein Schlichtungsversuch: Ich mag Sophie Passmann, ich finde sie witzig, klug, charismatisch und, wenn man das so nervig über Frauen schreiben will, frech…eigentlich.

Bereits im Vorwort ihres Buches, gibt Sophie Passmann in gewisser Weise selbst zu, dass sie ein Buch jenen Männern widmet, die ohnehin immer hörbar und sichtbar sind und, im übertragenen Sinne, die Welt regieren. Auch scheint Passmann eigentlich klar zu sein, dass ihr „feministisches“ Buch (qua Selbstbezeichnung), diesen mächtigen Männern Gehör verschafft, sich damit quasi selbst ad absurdum führt und eigentlich völlig überflüssig ist. Wirklich, wirklich gern, hätte ich mich von Passmann der Notwenigkeit dieses Textes belehren lassen, aber leider…

Autorin Sophie Passmann, Wikimedia Commons

Mit 16 Männern, darunter Christoph Amend, Sascha Lobo, Kai Diekmann, ihr eigener Vater, Tim Raue etc., hat sich Passmann an diversen Orten getroffen, die immer erst einmal in uslar’scher Manier präzise und ironisch beschrieben werden. Auch für die Person, die Passmann jetzt treffen wird, wird kein Fünkchen Ironie gescheut. Es folgen direkte Zitate der Männer, die Passmann mit wenig scharfsinnigen und wenig radikalen Fakten und Bemerkungen einrahmt. Jedes Gegenargument, das Passmann anbringt, bleibt in einem ironischen Augenzwinkern verhaftet und nahezu wirkungslos. Soweit das Muster des Buches.

Passmanns Text und „feministische“ Analysen bleiben dabei stets in einem Milieu verhaftet, das privilegiert genug ist, um über Frauen in Führungspositionen und Hausfrauen überhaupt nachzudenken zu können und kann sich darum kaum aus einer elitären und weißen Form des Feminismus herausbewegen.

Passmanns Analysen und Gespräche sind leider auch wenig überraschend. Passmann trifft Männer, die aufgrund von politischen Ämtern, oder ihrer Arbeit natürlich nicht als Antifeministen dastehen wollen (Sparte 1). Und natürlich reden die Lobos und die Habecks und die Kühnerts dieser Welt über Privilegien und Macht. Natürlich sind diese Männer in einem Interview über Feminismus mit einer der angesagtesten Medienfrauen „super reflektiert“, bleiben dann aber trotzdem für immer auf ihren Posten sitzen und lassen sich von ihrer unterbezahlten, weiblichen Assistentin Kaffee kochen.

Und mal ganz am Rande, ich brauche dieses Buch auch nicht, um zu wissen, dass die Männer der Sparte 2, sprich Poschardt, Patzelt, Diekmann, etc., absolute Vollspackos sind.
Viel mehr Erkenntnis gibt der Text leider nicht her. Ab und zu versucht Passmann die Interviewsequenzen mit Gegenargumenten zu spicken, bleibt dabei aber so oberflächlich und stets im Passmann’schen Augenzwinkermodus, dass sich die Leser*innen leider nichts weiter mitnehmen können.

Was mich an diesem Buch am meisten ärgert ist, dass dieses in Deutschland gerade als der feministische In-Text verkauft wird, was aber vor allem daran liegt, dass dieser Feminismus ein leicht verdaulicher ist, der leider keine*n weiterbringt.

Sophie Passmann schafft es demnach ernsthaft ein Buch als „feministisch“ zu verkaufen, in dem sie sich von, ja, jetzt sag ich es, alten weißen Männern über Gleichberechtigung mansplainen lässt.
Man kommt somit leider nicht umhin zu schlussfolgern, Frauen bräuchten Männer, um ein kluges Buch zu schreiben und tatsächlich schreibt es Passmann genau so, wenn sie sagt: „ Als seine [Christoph Amends] Zusage kam, mit mir sprechen zu wollen, wusste ich, dass mein Buch damit automatisch klüger werden würde.“
Der radikalste Satz, den dieses Buch ausspuckt ist „jeder Mann ist ein Sexist“ und selbst diesen legt sie einfach Habeck in den Mund.

Ihr sogenannter „Schlichtungsversuch“ bleibt demnach in der Tradition eines weißen Feminismus verhaftet, weiße Männer weiterhin in ihrer Macht zu legitimieren und wenn es dann passt, gerne in dieses Arschlochsystem einzusteigen. Schließlich nimmt Passmann diese Männer wichtig genug, um Stimmen für ein (feministisches) Buch zu liefern.

Sophie Passmann „[…] will […] von allen gemocht werden.“ Das ist spürbar, hat aber wenig mit Feminismus zu tun.

Neben ziemlich ignoranten Trugschlüssen „Je mehr du kannst, desto weniger bist du auf deine Privilegien angewiesen“, finden sich in diesem Sammelsurium auch echt schlechte Wortspiele und Witze (Sophie Passmann ist aber eigentlich dafür bekannt gute Witze und Wortspiele zu machen), wie „der Vergleich hinkt natürlich, wie ein besoffener Pirat […]“. Liebe Sophie, das ist weiß Gott nicht das Einzige, was hier hinkt.

Diese Besprechung widerspricht vielen meiner Prinzipien solidarisch mit (den meisten) Frauen zu sein. Das Buch „Alte weiße Männer“ ist aber auch nicht sonderlich solidarisch und auch nicht sonderlich sinnvoll. Interviews mit tollen Frauen*, die nicht jeder Hinz und Kunz der Medienbranche schon mal auf einen Champagner getroffen hat, wäre für Feminismen in Deutschland sicherlich fruchtbarer gewesen.

 

 

Sophie Passmann: Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch
Kiepenheuer & Witsch, 2019; 304 S., 12,– €

Wir danken KiWi für das Rezensionsexemplar!