Let’s talk about the Vulva

Benannt nach dem Gemälde von Courbet beschäftigt sich Liv Strömquists Comic „Der Ursprung der Welt“ ausführlich mit der Vulva. Und nicht der Vagina. Wer wie ich nicht mehr genau wusste, was nochmal der Unterschied zwischen beiden war: Ihr seid nicht allein. Laut Strömquist herrsche nämlich eine kollektive sprachliche Verwirrung darüber, wie man jetzt die Bestandteile dessen, was wir „weibliches Geschlechtsteil“ nennen, bezeichnen soll.

Erklärtes Ziel Strömquists ist es, Klarheit in diese Verwirrung zu bringen. Und auch mit anderen Klischees aufzuräumen, die das weibliche Geschlechtsteil betreffen. In kurzen Episoden greift sie verschiedene Diskurse, wie die Menstruation oder den weiblichen Orgasmus, auf und verfolgt diese durch unterschiedliche Zeitepochen. Für ihre Kulturgeschichte der Vulva vermischt sie eigene Illustrationen mit Fotos und historischen Zeichnungen. Auffällig ist zudem das Text-Bild-Verhältnis. Viele der Panels werden von handschriftlichen Textblöcken dominiert – oder bestehen nur aus Text. Stellenweise liest sich „Der Ursprung der Welt“ sogar mehr als Essay und weniger als Comic.

Trotz der Wissenschaftsbezüge, die hier und da durchblitzen, ist „Der Ursprung der Welt“ keinesfalls eine trockene Abhandlung der Vulva-Problematik (wenn man sie so nennen kann). Ganz im Gegenteil: Der Comic ist voll von schwarzem Humor. Strömquist bricht mit ihrem simplen Zeichenstil und ihrer ironisch gefärbten Sprache die Thesen und Argumente von Männern, die sich „zu sehr dafür interessieren, was als ‚das weibliche Geschlechtsorgan’ bezeichnet wird“, gekonnt herunter – und enttarnt dabei, wie absurd diese doch sind. Wenn man liest, dass John Harvey Kellogg (ja, der mit den Cornflakes) im 19. Jahrhundert es für eine gute Idee hielt, reine Karbolsäure auf die Klitoris zu schütten, um Frauen gegen die gefährliche Onanie zu schützen, muss man vor lauter Idiotie beinahe lachen – und ist gleichzeitig entsetzt.

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Ausschnitt aus „Der Ursprung der Welt“ (Bild: Liv Strömquist | avant-verlag)

An diesen Stellen funktioniert Strömquists Humor richtig gut. Schwieriger wird es, sobald sie sich selbst Klischees für ihre Witze bedient. Wenn sie schreibt, dass Königin Christinas Genitalien auf das Team um den Gynäkologen Elis Essen-Möller eine ähnliche Faszination ausgeübt hätten, „wie eine Xbox auf 11-jährige Jungs in einem schummrigen Hobbyraum in den Sommerferien“, ist der Witz nicht nur ziemlich flach – er verweist auch genau auf DAS stereotype Geschlechterdenken, das der Comic zu unterlaufen versucht. Sonst ist der Humor genial eingesetzt, um Sigmund Freud, Augustinus oder Jean-Paul Sartre als verklemmte Sexisten (mit abstrusen Ideen) zu entlarven und geht dabei auch ins Extreme. Warum also klischeebeladene Gleichungen wie Jungs = Videospiele aufmachen?

Wer sich in seinem Leben schon einmal mit Gender Studies auseinander gesetzt hat, für den sind viele Punkte aus „Der Ursprung der Welt“ nicht neu. Strömquist bringt aber so viele spannende Beispiele heran, dass mit Sicherheit jeder irgendetwas Neues daraus mitnimmt – ob nun eine weltbildverändernde Erkenntnis, einige gute Lacher oder das Wissen, was der Unterschied zwischen Vulva und Vagina ist.

Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt. avant-verlag, 2017; 140 Seiten; 19,95 Euro.

Wir danken avant-verlag für das Rezensionsexemplar!