Do We Know Their Names?

Die Galerie im Körnerpark zeigt den ersten Teil des Ausstellungsprojekts „ReFraming Worlds: Mobilität und Gender aus postkolonial, feministischer Perspektive“. 

The female body in the West is not a unitary sign. Rather, like a coin, it has an obverse and a reverse: on the one side, it is white; on the other, non-white or, prototypically, black. […] White is what woman is; not-white […] is what she had better not be. […] A kaleidoscope of not-white females, Asian, Native American, Latina, and African, have played distinct parts in the West’s theater of sexual hierarchy. But it is the African female who, by virtue of color and feature and the extreme metaphors of enslavement, is at the outermost reaches of „otherness.“ Thus she subsumes all the roles of the not-white body.

So leitet die bildende Künstlerin Lorraine O’Grady ihren Aufsatz „Olympias Maid“ ein, in welchem sie sich mit der Stereotypisierung des weiblichen Körpers of color in der westlichen Kunst beschäftigt und untersucht, in welcher Rolle Women Of Color in der Kunst dargestellt werden (zum Beispiel als Magd der Prostituierten Olympia in Manets berühmtem Gemälde) und wann sie ausgeschlossen werden von einer Kulturgeschichtsschreibung.

Mit den Fragen, wer westliche Geschichte konstruiert und wer in dieser Geschichte repräsentiert wird, beschäftigt sich auch die Ausstellung „ReFraming Worlds: Mobilität und Gender aus postkolonial, feministischer Perspektive“, die als zweiteiliges Ausstellungsprojekt in der Galerie im Körnerpark und in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst gezeigt wird. Diese Woche wurde der erste Teil in der Neuköllner Galerie im Körnerpark eröffnet.
Welche Rolle spielen Rassismus, Klassismus und Sexismus als Ausschlusskriterien bei der Erzeugung von Wissen und Bewahrung von Wissen? Diesen Fragen widmen sich fünf künstlerische Arbeiten, die sich sowohl mit (post-)kolonialistischen und rassistischen Praktiken und der Unsichtbarmachung intersektionaler Identitätslabel, auch durch weiße Feministinnen, beschäftigen und stellen somit Versuche an, Frauen*, deren Stimmen in der Zelebrierung der europäischen Wissenschaftsgeschichte zum Verstummen gebracht wurden, hörbar zu machen.
Mathilde ter Heijnes Arbeit „Woman to Go“, ein Projekt, das die Künstlerin seit 2005 immer weiter fortführt, beschäftigt sich mit vergessenen Frauen. Postkarten bedruckt mit Daguerreotypen des 19. und 20. Jahrhunderts, die unbekannte Frauen zeigen, werden auf der Rückseite mit den Lebensläufen diverser Frauen* bestückt, die für individuelle Ziele kämpften, aber in Vergessenheit gerieten. Die Postkarten können von den Besucher_innen mitgenommen werden, um somit ein Artefakt der Erinnerung zu schaffen, das auch außerhalb der Galerieräume existieren kann.

IMG_20171104_150642_resized_20171105_024503676 (1)
Ausstellungsansicht in der Galerie im Körnerpark

Die Arbeit „Do You Know Our Names“ der Künstlerin Rajkamal Kahlon beschäftigt sich mit visuellen Herrschaftssystemen. Auf der Grundlage ethnographischer Porträtfotografien des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert unternimmt Kahlon den Versuch stigmatisierte, stereotypisierte und für die Forschung missbrauchte weibliche Körper of Color zu Rehabilitieren und Individualisieren, und gleichzeitig noch herrschende Blickhierarchien zu hinterfragen. Kennen wir die Namen dieser Frauen? Wie betrachten wir sie? Welche Denkstrukturen in Bezug auf Geschlecht, Klasse und Hautfarbe existieren noch immer? Wie können diese Blickachsen der Macht ausgehebelt werden?

Betrachter_innen werden somit wieder und wieder gefordert, ihre eigene Position zu hinterfragen. Auch lädt die Ausstellung zu Interaktivität ein. Das Publikum ist durchaus angehalten, an der Geschichtsschreibung zu partizipieren, sie neu zusammenzusetzen und neu zu denken. So legen die Kurator_innen die Konstruktion von Geschichte offen und ermöglichen aber gleichzeitig das Spektrum, wer Geschichte erzählen darf und wen diese beinhaltet, zu erweitern.

In klugen Arbeiten werden die Rezipierenden aufgefordert die ihnen inhärenten Blickhierarchien zu hinterfragen und Identitäten als diverse Konstruktionen zu erkennen. Nicht gehörte Stimmen werden hörbar gemacht.

Die Theoretikerin und Mitbegründerin der Postcolonial Studies, Gayatri Chakravorty Spivak, prangert in vielen ihrer Schriften an, dass das europäisches Erkenntnisinteresse, so auch das weißer Feministinnen, zuerst auf die eigene weiße, privilegierte Identität gerichtet ist und somit in Hierarchisierungen zwischen weiß und of color verhaftet bleiben muss. Anhand der Schriften feministischer, intersektionalistischer und postkolonialistischer Theoretisierungen unternehmen die Mitglieder der nGbK-Projektgruppe, Oliver Baurhenn, Dorothee Bienert, Marisa Maza, Antje Weitzel, Jole Wilcke und Moira Zoitl, den Versuch des Reframings. Ein ambitioniertes Projekt, das durchaus Gefahr läuft herber Kritik ausgesetzt zu sein und somit spürbar gründlich, kritisch und behutsam an dieses Thema geht. Mit Erfolg. „ReFraming Worlds: Mobilität und Gender aus postkolonial, feministischer Perspektive“ ist absolut sehenswert und klug. Auf den zweiten Teil, der am 02.12.2017 in der nGbK eröffnet wird, kann man durchaus gespannt sein.

Zur Ausstellung:
Reframing Worlds – Mobilität und Gender aus postkolonial, feministischer Perspektive
Galerie im Körnerpark: 4. November 2017 – 21. Januar 2018
nGbK: 2. Dezember 2017 –  21. Januar 2018
Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht
Ein Begleitheft kann für 2 Euro erworben werden

Titelbild: Mathilde ter Heijne, Women to Go, 2009 fortlaufend, Foto: Nihad Nino Pusija