Check, check, check, hey, hey, 1, 2, 3, 4, check, check

Das Torstraßenfestival 2017: Zwischen Twin Peaks, Highschoolmovie und Female Empowerment

Viele, denen ich davon erzählt habe, dass ich den schönen Samstag nutzen werden, um meine Zeit auf dem Torstraßenfestival zu vertreiben, warfen mir fragende Blicke zu. Torstraßenfestival? Scheinbar ist dieses großartige Event noch nicht in aller Munde. Das muss sich ändern.

Zugegeben – ich hätte auch schon sechs Mal die Chance gehabt, das Festival zu besuchen. Warum ich das nie getan habe, frage ich mich seit gestern schon. Denn eigentlich ist das Festival perfekt für mich. Es geht nachmittags los. Ich muss nicht in einem Zelt übernachten. Die Locations verlaufen an der Torstraße in Berlin Mitte zwischen denen man an einem schönen Junitag mit dem Fahrrad hin und her radelt und zwischendurch mal mit einem Bier im Volkspark am Weinbergsweg entspannt. Sowas von perfekt.
Das Torstraßenfestival hat 2011 mit einem Nachmittag begonnen. Mittlerweile lockt es mit vier Tagen Programm mehr oder weniger prominenter Künstler_innen. In zehn verschiedenen Clubs um die Torstraße fanden am Samstag etwa 40 Konzerte statt. Thank God – ich war dabei.

Das Festival ist perfekt für Musikliebhaber_innen, die gerne neues entdecken. Auch ich habe mich auf Entdeckungsreise begeben. Vorher kurz bei Spotify reingehört, meinen persönlichen Timetable erstellt und los.
Als Auftakt pilgern wir in den Roten Salon an der Volksbühne, wo der US- amerikanische Singer/Songwriter Matt Mondanile von „Ducktails“ mit einer melodischen und verträumten Mischung aus elektronischen Klängen, Gitarre und Gesang wartet. Und schon fühle ich mich als stecke ich mitten in Twin Peaks. Und das liegt nicht nur am roten Vorhang. Wow – nie habe ich einen Mann so hauchen hören. Als Bandshirts hat er selbstgemachte Donald Duck-Shirts dabei – „Don’t worry, there is no Band name on it. You get a discount!“. Irgendwie würde ich mir gern so ein Entenshirt kaufen, denn ich schäme mich jetzt schon, dass ich ein gestreiftes Baumwollshirt angezogen habe. Seit wann sind die eigentlich wieder so en vogue?

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The Courtneys im Bassy Club, 2017

Nach einer kurzen Parkpause (ein Wort was eigentlich im Duden stehen sollte) radeln wir zum Bassy-Club an der Schönhauser Allee um „The Courtneys“ zu sehen. Bevor es losgeht, dröhnt aus dem Saal schon die schrille Stimme der Frontsängerin und Schlagzeugerin Jen Twynn Payne: „Check, check, check, hey, hey, 1,2,3,4, check, check“. Dann geht es irgendwie schon los und während alle noch aufgeregt in den Saal stürmen, begrüßt Bassistin Sydney Koke das Publikum schon mit den Worten „Welcome to our Soundcheck“. Mit Gitarristin Courtney Loove ist das Trio aus Vancouver komplett. Und irgendwie fühle ich mich schon wieder wie im Film. Diesmal wie in einem Anfang-2000er-Highschoolfilm à la „Zehn Dinge, die ich an dir hasse“. Es macht wahnsinnig Spaß den drei Künstlerinnen zuzuhören. Ihr Sound geht automatisch in die Beine. Wie heiß ist es bitte in diesem Club? Und auch die drei verkünden, wer ihnen gute Berlintipps gibt „gets a Discount“. Das scheint das Ding zu sein.
Verschwitzt aber glücklich aufs Rad geschwungen. Denn die Pausen sind kurz und wir wollen unbedingt zu Molly Burch in den Grünen Salon. Während meine Ohren von den lauten Courtneys noch klingeln, stolpern wir in den Saal, in dem das gesamte Publikum sitzt und Molly Burch, die Hände in ihrem Latzkleid vergraben, beinahe in Zeitlupe ihre Hüften rhythmisch zu ihren Bargesängen schunkelt. Was für ein Kontrast. Schon wieder Twin Peaks. Diesmal ist der Vorhang zwar schwarz, aber Molly Burchs hauchender (aber trotzdem lauter) Gesang würde perfekt in Twin Peaks „Bang Bang Bar“ passen. Das ist ja alles schön und gut. Als die Sängerin aus Austin dann aber „Stand by your Man“ anstimmt ist mir das doch ein wenig zu viel des klassischen Rollenbilds. Und in meinem Kopf so „Check, check, check, hey, hey“. Aber nicht nur mir scheint das ein wenig zu viel 50er-Jahre-Romantik zu sein, denn nach beinahe jedem Lied, verlässt ein weiteres Grüppchen Menschen den Saal. Auch ich ärgere mich. Denn auf Platte fand ich sie unfassbar toll. Nach dieser affektierten Performance befürchte ich aber, Molly Burch nie wieder hören zu können. Dann doch lieber Cat Power!
Nach diesem Auftritt entscheide ich mich gegen die süßlichen TOPS und spontan doch für Priests. Ich brauche das jetzt. Zum Glück, denn die amerikanische Punkband um Katie Alice Greer ist laut, strotzt vor Energie und nimmt sich ihren Platz. Auch jetzt tanzt und schwitzt der Bassy-Club, denn still halten kann man bei diesem rohen Sound kaum. Greer verstrahlt so viel Energie, dass man irgendwie Angst bekommt zu explodieren. Schweißnass, aufgeregt und mit Revolution in unseren Köpfen verlassen wir den Saal um am Montag wieder in der Uni oder unseren Büros zu sitzen und vom nächsten Torstraßenfestival zu träumen. Denn „you are just a cog in the machine“.

Und jetzt alle: „Check, check, check, hey, hey.“